Eine kleine Chronik

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Der Wetzlarer Dombau-Verein e.V.

Sponsorensuche und Mitteleinwerbung im Wandel der Zeit

Zielführende Ideen für erfolgreiche Einwerbung von Geldmitteln ergaben sich im Vorstand des Dombau-Vereins aus sorgfältiger Analyse der jeweiligen Marktlage. Auch musste der herrschende Zeitgeschmack berücksichtigt werden und nicht zuletzt auch die jeweils Erfolg versprechende Werbe- und Vertriebsstrategie. Im 19. Jahrhundert waren noch Emissäre aus Wetzlar durch die deutschen Länder gereist, um persönlich bei hochgestellten Personen um Spenden für den Erhalt des Doms zu bitten. 1905, 1906 und 1908 erwiesen sich Dombau-Lotterien, die für das Gebiet der preußischen Monarchie genehmigt wurden, als besonders zweckdienlich. Hierbei ist daran zu erinnern, dass eine Lotterie zu Gunsten des Kölner Doms zum überwiegenden Teil die Fertigstellung ermöglicht hatte und nun bei ähnlich gelagerten Projekten sozusagen als "Königsweg" der Mittelbeschaffung galt. Auch in Wetzlar waren nach Gründung des zweiten Dombau-Vereins Lotterien erfolgreich gewesen und hatten fast zwei Drittel der zur Domsanierung erforderlichen Mittel erbracht.

Bei der Gründung des dritten Wetzlarer Dombau-Vereins 1946 war allen Beteiligten klar, dass unter den Bedingungen der unmittelbaren Nachkriegszeit eine Lotterie ohne Erfolg bleiben würde [20]. Stattdessen setzte man auf die Spendenbereitschaft der bekannten Wetzlarer Firmen, auf Zuschüsse der öffentlichen Hand und auf Spenden von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Elsie Kühn-Leitz hatte als Begründerin der Deutsch-Französischen Gesellschaft den damaligen Bundeskanzler Dr. Adenauer zu Gast, führte ihn durch den Wetzlarer Dom und erhielt die Zusage einer Spende von 3.000 DM. Durch Vermittlung des Bundestagspräsidenten Dr. Ehlers hatte das Innenministerium 1.000 DM gespendet [21]. Bestehende persönliche Beziehungen sollten nun vermehrt genutzt werden, um weitere Spenden einzuwerben. Mit gleicher Aufmerksamkeit wurde jedoch auch die Mitgliederwerbung betrieben, denn die Mitgliedsbeiträge bildeten einen zwar überschaubaren, dafür aber sicheren Kernbestand des Vereinsvermögens.


Eine gusseiserne "Dombauplakette"

Neuland betrat deshalb der Dombau-Verein mit dem Vertrieb der sog. "Jahres-" bzw. "Dombauplaketten" aus Gusseisen, die in der Buderus'schen Kunstgießerei Hirzenhain hergestellt und vom Dombau – Verein vertrieben wurden. Frühzeitig beteiligten sich das Städtische Fremdenverkehrsamt und später auch die Städtischen Sammlungen am Vertrieb, denn hier lag eine Schwachstelle der Aktion: Der Dombau-Verein verfügte über keine eigenen Vertriebswege und war hier auf die Kooperation mit geeigneten Partnern angewiesen. Die auf zwölf Motive angelegte Reihe der "Jahresplaketten" wurde zu einem bedeutenden Verkaufserfolg. Viele Wetzlarer sammelten die Plaketten und zierten damit an prominenter Stelle Entrées, Kaminecken und Wohnzimmer. Die Beliebtheit dieser schönen Eisenplakettenreihe erwies sich als dauerhaft, denn als 2002 die Buderus AG dem Dombau-Verein einen Restbestand von 400 Plaketten mit dem Motiv der Westfront des Doms schenkte, war auch dieser Bestand rasch verkauft. Die Idee einer sich jahrweise vermehrenden Sammlung sicherte dem Verein auf mittelfristige Sicht annähernd gleichbleibende Einnahmen. Als 1989 der damals neu gewählte Vorsitzende Werner Gimmler darauf hinwies, dass der Dombau-Verein zwischen 1973 und 1989 fast eine halbe Million DM für die Restaurierung des Wetzlarer Doms bereit gestellt hätte, fand auch die Reihe der "Dombau-Plaketten" dankbare Erwähnung [22].

Da dem Dombau-Verein im Zusammenhang der Herstellung der "Dombau-Plaketten" nur sehr geringe Kosten entstanden, während der Erlös ihm in voller Höhe zufloss, entstand hier kein nennenswertes finanzielles Risiko für den Verein. Der Verein war gehalten, seine Mittel ausschließlich für satzungsgemäßen Zwecke zu verwenden, und die Satzung legte in § 1 fest: Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch die Finanzierung … von Renovierungsarbeiten am Wetzlarer Dom… fügte jedoch hinzu: … sowie durch Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel, die Wetzlarer Bevölkerung für den Vereinszweck zu gewinnen. In diesem Passus sah insbesondere der damals zweite Vorsitzende Otto Jung den Ansatzpunkt für neue Möglichkeiten der Mittelerschließung. Wenn der Dombau-Verein mit einem geeigneten Partner ein Buch über den Wetzlarer Dom zum Druck beförderte und mit Gewinn vertrieb, würde beiden Vereinszwecken – der Mittelbeschaffung und der Öffentlichkeitsarbeit – Genüge getan [23].

Das 1925 erschienene und 80 Druckseiten umfassende Buch von Heinrich Gloël Der Dom zu Wetzlar war längst vergriffen und auch durch zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse über den Ablauf der Bauarbeiten am Wetzlarer Dom in manchen Teilen überholt. Sein handlicher Umfang hatte ihm jedoch viele Freunde gewonnen. Es bot sich also an, hier einen zeitgemäßen, wissenschaftlich fundierten und trotzdem gut lesbaren Nachfolger zu konzipieren. Der junge Kunsthistoriker Eduard Sebald wurde als Autor gewonnen, der Verlag Karl Robert Langewiesche Nachfolger Hans Köster übernahm die Drucklegung in der bestens eingeführten Reihe seiner Blauen Bücher. Das Erscheinen des Buches 1989 wurde von professioneller Pressearbeit begleitet [24]. Der Erfolg rechtfertigte den Einsatz der zur Herstellung des Buches erforderlichen Vereinsmittel: Nach zwei Jahren war die Erstauflage von 3.000 Exemplaren mit einem Gewinn von 17.500 DM verkauft, ein Betrag, der alsbald für die Domausstattung verwendet werden konnte. Auch die zweite Auflage des Buches, die 2001 erschien, wurde mit Erfolg verkauft, zumal inzwischen auch die Wetzlarer Buchhandlungen und die Kasse des Stadt- und Industriemuseums das Buch anboten [25].


Eduard Sebald: Der Wetzlarer Dom
Königstein/Ts.: K.R. Langewiese Nachf. 1989
Die erste vom Wetzlarer Dombau – Verein
geförderte Buchpublikation

Dem wiederholt geäußerten Wunsch, Interessenten einen "kleinen", also handlichen und preiswerten Führer durch den Wetzlarer Dom anbieten zu können, kam der Dombau-Verein mit der Herausgabe des "Kleinen Kunstführers Nr. 2000" im Verlag Schnell & Steiner, München und Zürich, im Jahr 1992 nach [26]. Die Erstauflage war mit 9.000 Exemplaren für eine Verkaufszeit von drei Jahren berechnet und sollte dem Verein einen Reingewinn von 12.000 DM eintragen. Die Erwartungen erfüllten sich und eine zweite Auflage mit zusätzlichen Farbaufnahmen und textlichen Ergänzungen konnte 2001 in Auftrag gegeben werden; auch sie zeigte einen kontinuierlich guten Absatz.

Im Hintergrund dieser beiden Projekte waren jeweils kleinere, sachkundig besetzte Projektteams tätig, die die Arbeit des jeweiligen Autors unterstützten, für reichhaltiges, qualitätvolles Abbildungsmaterial sorgten oder den reibungslosen Ablauf der Fotoarbeiten organisierten, wenn ortsfremde Fotografen im Auftrag der Verlage im und am Dom tätig wurden. Auch wurden alle Texte auf Sachrichtigkeit und gute Lesbarkeit hin abgeklopft – eine mühevolle Arbeit, deren Nutzen jedoch von vielen Lesern dankbar begrüßt wurde. Otto Jung nahm es auf sich, die Teams immer neu zu motivieren und gleichzeitig alle Zeitvorgaben einzuhalten, so dass alle Ablieferungs-, Herstellungs- und Auslieferungstermine eingehalten werden konnten. Seine berufliche Erfahrung erwies sich als Garant für eine professionelle Projektabwicklung.

In der Mitgliederversammlung 1993 konnte der Vorsitzende Werner Gimmler über den Abschluss der Restaurierung eines barocken Tafelbildes berichten, das 1652 als Epitaph für die verstorbene Ehefrau des Giessener Festungskommandaten Günther von Brenhausen geschaffen und im Wetzlarer Dom aufgehängt worden war. Als Eigentum der katholischen Domgemeinde gehört das großformatige Gemälde, das eine sog. "Pietà" zeigt, zu den Leihgaben im Stadt- und Industriemuseum, wo es nach der Restaurierung einen prominenten Platz im Treppenhaus einnimmt.

In der Mitte der neunziger Jahre zeichnete sich ab, dass die "Printmedien" – Buch, Zeitung, Zeitschrift u.a. – in Konkurrenz mit den audiovisuellen Medien eingetreten waren, ein Umstand, den der Vorstand mit großer Aufmerksamkeit verfolgte. Auch hier zahlte es sich aus, dass er laufend von Mitgliedern informiert wurde, die ihrerseits beständige Kontakte zu den potentiellen "Kunden" unterhielten, insbesondere den Wetzlar-Touristen, die als Einzelne oder in Gruppen die Altstadt und den Dom besuchten. Otto Jung entwickelte die Idee eines "Domvideos", das Interessenten die Schönheiten, Geheimnisse und Besonderheiten des Wetzlarer Doms, aber auch den geistlichen Gehalt des Bauwerks vor Augen führen konnte. Er stellte erneut ein kleines Arbeitsteam zusammen, das das "Storyboard", das Drehbuch für das Video, entwickelte, nahm professionelle Firmen aus Wetzlar für die Realisation der Filmaufnahmen und den Evangeliums-Rundfunk für die Einspielung des Tons unter Vertrag. Originalaufnahmen des Spiels beider Kantoren der Domgemeinden auf der Domorgel bereicherten musikalisch die Tonaufnahmen. Wie auch bei den vorigen Projekten begleitete eine intensive Pressearbeit die Arbeit [27]. Die öffentliche Präsentation des Videos am 19. Juli 1994 vor über 200 Zuschauern im Stadthaus am Dom zeigte, dass diese zeitgemäße Form der Vermittlung auf einhellige Zustimmung stieß. Das satzungsgemäße Ziel, durch Öffentlichkeitsarbeit … die Wetzlarer Bevölkerung für den Vereinszweck zu gewinnen, war fraglos mit diesem Produkt des Wetzlarer Dombau-Vereins erreicht worden. Der Verkaufserlös kam der Restaurierung der mittelalterlichen Plastik des "Kreuztragenden Christus" zugute.


Der "Kleine Domführer", der in erster Auflage 1992 erschien

"Der Dom zu Wetzlar" – die erste Videoproduktion des Wetzlarer Dombau – Vereins




Drei Broschüren des Wetzlarer Dombau – Vereins von Franz Schulten, Oda Peters und Gerhild Seibert

1995 präsentierte sich der Dombau-Verein mit einem Projekt, das Vorteile der lange zurückliegenden "Dombau-Plaketten" – Serie mit den bisher erarbeiteten Druckschriften verbinden sollte. Franz Schulten stellte unter dem Titel "Der Dom zu Wetzlar – Erbe und Aufgabe" eine 60seitige Broschüre vor, die in schlanker Gestalt, aber mit reicher Bebilderung und in einem auffälligen, nämlich quadratischen Format ungewöhnlich wirkte. Sie stellte den Wandel des Kircheninnern im Lauf von sieben Jahrhunderten dar und erinnerte zugleich an die drei Wetzlarer Dombau-Vereine, in denen sich das bürgerschaftliche Interesse am Dom und seiner Erhaltung bisher manifestiert hatte [28]. Die Broschüre war als Teil 1 einer losen Folge weiterer Hefte in gleichem Layout angelegt. Tatsächlich konnte als Teil 2 im Jahr 1999 ein Beitrag von Oda Peter unter dem Titel "Der Dom zu Wetzlar – Kunstwerke aus fünf Jahrhunderten" und als Teil 3 in Jahr 2004 ein Beitrag von Gerhild Seibert unter dem Titel "Der Dom zu Wetzlar – Chorfenster" die kleine Reihe weitergeführen.

In den beiden folgenden Jahren war wichtiger Ereignisse in der Vereins- und in der Stadtgeschichte zu gedenken: Der heutige – dritte – Dombau-Verein feierte 1996 sein fünfzigjähriges Bestehen und 1997 war die 1.100. Wiederkehr der Weihe der allerersten Wetzlarer Kirche zu feiern, jener Salvatorkirche von 897, deren Baureste sich tief unter dem Boden der heutigen Kirche befinden. Feiern dieser Art dienen nicht alleine der Erinnerung an die Daten und Vorgänge, auf die sie Bezug nehmen, sondern sie bieten auch Gelegenheit, die geleistete Vereinsarbeit, gegenwärtige Aktivitäten und geplante Vorhaben in der Öffentlichkeit vorzustellen, die Zusammengehörigkeit der Vereinsmitglieder zu stärken und die Leistungen von Spendern und Sponsoren öffentliche zu würdigen. Der Magistrat der Stadt Wetzlar ehrte den Verein durch einen Empfang im Festsaal des Palais Papius [29].


Der kreuztragende Christus Andachtsbild aus dem 1. Drittel des 15. Jahrhunderts

Im Mittelpunkt der Aktivitäten 1996 stand die Restaurierung des mittelalterlichen Andachtsbildes "Der kreuztragende Christus". Die lebensgroße Plastik stellt Christus das, der unter der Last des Kreuzes gebeugt schreitet, während ihm Simon von Kyrene das Kreuz tragen hilft. Den Regeln der mittelalterlichen "Bedeutungsperspektive" folgend ist die Gestalt des Simon von Kyrene gegenüber der von Christus deutlich verkleinert. Die relative "Handlichkeit" des Simon führte 1983 dazu, dass die Figur Opfer eines Diebstahls wurde. Der Vorstand des Dombau-Vereins hatte nun beschlossen, die Restaurierung der Figur des Christus samt dem gemeinsamen Sockel in der Würzburger Werkstatt von Peter R. Bracher durchführen zu lassen, die Figur des Simon von Kyrene aber durch den Bildhauer Heinz Müller (Brühl) nachschnitzen zu lassen. Im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes wurde die Neuaufstellung des komplettierten und restaurierten Andachtsbildes im Nordflügel des Querhauses des Wetzlarer Doms festlich begangen [30].

Es hatte sich bei der Produktion des 1994 fertig gestellten Dom-Videos gezeigt, dass die Vermittlung der Baugeschichte der heute bestehenden Kirche dadurch überaus kompliziert wird, dass die Bauherren nach längeren Unterbrechungen des Baugeschehens keineswegs einen bestehenden Bauplan abschließend umsetzen, sondern für die Fortsetzung zumeist einen neuen, dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprechend "moderneren" Bauplan zugrunde legten. Jeder dieser Baupläne hätte, wäre er vollständig umgesetzt worden, eine ganz andere Kirche entstehen lassen. Die Forschung hat sieben solcher teilweise stark von einander abweichender Baupläne ausmachen können [31].


Video zur Baugeschichte des Wetzlarer Doms, entstanden in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Wiesbaden, Fachbereich Gestaltung 1997

Im Vorstand entwickelte sich die Idee, mit den Mitteln der Digitalisierung und der Computeranimation die Baugeschichte des Wetzlarer Doms in den wesentlichen Schritten nachzuvollziehen und zusätzlich einige der unterschiedlichen Baupläne vollständig umgesetzt darzustellen. Ein solches Projekt bedurfte in jedem Fall professioneller Hilfe. Der Dombau-Verein fand sie bei Prof. Dr. Falk Krebs und Dipl. Designer Edgar Brück von der Fachhochschule Wiesbaden. Gemeinsam mit einer Reihe von Studentinnen und Studenten des Studiengangs Architektur wurde das Projekt als Semesterarbeit umgesetzt, nachdem auch in diesem Fall das "Drehbuch" in Wetzlar entstanden war. Anlässlich der Mitgliederversammlung im Mai 1997 konnte die Präsentation der computeranimierten Baugeschichte des Wetzlarer Doms für den 6. Oktober angekündigt werden [32]. Im Rahmen eines umfangreichen Veranstaltungsprogramms vom 1. – 19. Oktober, an dessen Realisierung sich die Stadt Wetzlar, die beiden Domgemeinden, der Wetzlarer Geschichtsverein und die Städtischen Sammlungen beteiligten, wurde das Video zur Baugeschichte pünktlich zum angekündigten Zeitpunkt im Stadthaus am Dom vorgestellt. Der Erfolg war überwältigend und entschädigte alle Beteiligten, vor allem aber die Studenten aus Wiesbaden, für ihren hohen persönlichen Einsatz. Eine ungeplante und deshalb umso wirkungsvollere Bereicherung erfuhr die Präsentation des Videos durch die Nachricht, dass die 1983 aus dem Dom entwendete Originalskulptur des Simon von Kyrene wenige Tage zuvor in einer Giessener Antiquitätenhandlung von der Polizei sicher gestellt worden war und nun den Gemeindevertretern zurück gegeben werden konnte [33].

Im gleichen Jahr wurde auch das bedeutendste Kunstwerk im Dom, die aus dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts stammende überlebensgrosse "Pietà", nach gründlicher Reinigung und Festigung der Farbfassung wieder an ihren Standort, die Johanneskapelle, zurück gebracht. Der Dombau-Verein hatte die Gesamtkosten der Restaurierung übernommen.


Die Pietà im Wetzlarer Dom um 1370/1380

Eine schöne Fortsetzung der Bemühungen des Dombau-Vereins um Erhaltung und Ausgestaltung des Doms folgte in den nächsten beiden Jahren: Im Juni 1997 riefen der Vorsitzende und sein Vertreter gemeinsam brieflich und persönlich Wetzlarer Firmen und Institutionen auf, den Neuguss einer kleineren Glocke zu bezuschussen. Sie sollte im Dachreiter über der Vierung ihren Platz finden und dort das Geläut zweier Glocken vervollständigen, die ihrerseits zu einem vierteiligen Glockensatz im Südturm des Doms gehörten. Im April 1998 wurde der Guss durch die traditionsreiche Firma Rincker in Sinn ausgeführt; zahlreiche Mitglieder des Vereins und die Geistlichen beider Konfessionen wohnten dem Guss bei. Im Dezember desselben Jahres konnte Werner Volkmar über die Komplettierung des Wetzlarer Domgeläuts berichten [34]. Er bezog sich dabei auf Studien und einen Vortrag von Franz Schulten. Als Stifter des Glockengusses war die Wetzlarer Firma Globus aufgetreten. Die neue Glocke erhielt den Namen "Ökumene-glocke".


Die "Ökumeneglocke" ein Geschenk der Fa. Globus, Wetzlar, 1998

In den nachfolgenden Jahren beanspruchte neben der dringend erforderlichen Restaurierung der Domorgel im Innern die "Außenhaut" des Doms erneut die Aufmerksamkeit aller für seinen Erhalt Verantwortlichen. Eine Neueindeckung des Doms mit einem Kostenvolumen von ca. 2 Mio. DM war erforderlich. Der der Verein leistete Zuschüsse von 20.000 DM im Jahr 2000 und 70.000 DM im Folgejahr. Die umweltbedingten Schäden am Heidenportal und am Heidenturm erforderten zunächst eine grundlegende wissenschaftliche Untersuchung und nachfolgend die Sanierung auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse. Beide Maßnahmen - Sanierung des Heidenportals und des Heidenturms – wurden vom Dombau-Verein 2009 mit über 150.000 € bezuschusst. Es bleibt anzumerken, dass sich auch die Mitgliederzahl erholt hat. Sie lag 2010 bei 330 Mitgliedern.

Es ist unumgänglich, dass jeder Verein, der mit Erfolg seine Ziele in der Öffentlichkeit vertritt, sich auch den Veränderungen stellen muss, die der gesellschaftliche Wandel mit sich bringt. Unter Ruth Viehmann sind deshalb Projekte in den Mittelpunkt der Vereinsaktivitäten gerückt, die diesem Wandel auf verschiedenen Ebenen Rechnung tragen: Der technische Fortschritt hat z. B. dazu geführt, dass in der Verbrauchergunst heute die DVD an die Stelle des Videos getreten ist. Deshalb mussten die beiden Domvideos in das neue digitale Format überführt werden, wenn sie weiterhin Käufer finden sollten.

Auch in der Vermittlung historischer Kenntnisse sind Veränderungen eingetreten. Sie betreffen sowohl die "Zielgruppen" als auch die Vermittlungswegw. Galten früher Erwachsene als Interessenten für Historisches und Kunstgeschichtliches und Jugendliche nur insoweit, als sie sich als Studierende für Gegenstände einer "gehobenen" Bildung zu interessieren hatten, so hat sich gegenwärtig die Situation völlig verändert, ist aber keineswegs einfacher geworden. Wissenschaftliche Bücher werden in aller Regel nur noch von Erwachsenen gelesen. In das Blickfeld der Bildungspolitik sind aber die jüngeren Menschen getreten, eine Zielgruppe, die man umso sicherer erreicht, wenn man sie möglichst früh auf eine ihrer Interessenlage gemäße Weise an historische Sachverhalte heranführt. Vor dieser Einsicht wurde von Ruth Viehmann ein Domführer für Kinder in Auftrag gegeben, konzipiert und hergestellt. Das Interesse auch von Schulen an diesem "kindgerechten" Material zeigt, dass der Weg in die richtige Richtung führt.


Das transportable Dommodell, ein Geschenk der Fa. Meyer & Sohn, Wetzlar

in weiterer Versuch, Kenntnisse nicht nur medial zu vermitteln, sondern unmittelbar sinnlich erfahrbar zu machen, wurde von der Presse mit Beifall aufgenommen und hat inzwischen seine Werbewirksamkeit unter Beweis gestellt: die Entwicklung eines transportablen Dommodells. In über 100 Arbeitsstunden fertigte die Bau- und Möbelschreinerei Emil Meyer & Sohn das Modell aus Fichtenholz und verleimten Sperrholzplatten. Ein farbiger Schutzanstrich stellt sicher, dass das detailgenaue Modell angefasst und so z. B. auch von Sehbehinderten "ertastet" werden kann. Auf dem Hessentag 2012 konnte es als vielbeachteter Blickpunkt öffentlich für den Dom werben [35]. Dass die Herstellerfirma, ein alteingesessener Wetzlarer Handwerksbetrieb, dem Dombau-Verein das Modell zum Geschenk machte, belegt ein weiteres Mal die enge Verbundenheit der Bürgerschaft mit "ihrem" Dom.

Dem Hessentag als dem "größten Fest der Hessen", das 2012 in Wetzlar gefeiert wurde, war auch eine Aktivität der Sparkasse Wetzlar gewidmet, die mit einer Zuwendung an den Dombau-Verein gekoppelt war. Die Sparkasse Wetzlar bott die offizielle Hessentags-Medaille 2012 in Silber und Gold an und überwies aus dem Verkaufserlös jeder Medaille dem Dombau-Verein einen festen Betrag als Spende.

Nach zeitgerechten Maßnahmen verlangt auch die Mitgliederwerbung und –bindung. Vielfach ist heute ein Erlebnis mit positiver emotionaler Qualität wichtiger als die mediale Vermittlung reiner Information. Deshalb organisiert der Dombau-Verein in loser Folge für seine Mitglieder und für Interessenten Vorträge und Exkursionen zu bedeutenden Kirchen und anderen sakralen Bauwerken. Geselliges Beisammensein und gemeinsam gewonnene Erfahrungen und Einsichten beleben das Empfinden der Vereinszugehörigkeit. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das anhaltende Engagement von Vereinsmitgliedern, die sich täglich als Aufsichten und Ansprechpartner im Dom zur Verfügung stellen. Sie vermitteln Besuchern auf diese Weise ein sehr persönliches Erlebnis, machen die Bereitstellung von elektronischen Informationshilfen entbehrlich und steigern nicht zuletzt die Sicherheit der sakralen Gegenstände und der im Dom vorhandenen Kunstwerke.

Wichtig bleibt allerdings nach wie vor die Einwerbung von Spenden und Zuschüssen. Immer wieder haben Wetzlarer Bürgerinnen und Bürger dem Dombau-Verein bedeutende Legate zugewendet. In jüngerer Zeit ehrt der Verein solche Personen mit einer Bronzeplakette im sog. Heidenhof. Zu den wirkungsvollsten vertrauensbildenden Merkmalen des Dombau-Vereins gehört ganz sicher, dass die Vorstandsmitglieder und alle Helferinnen und Helfer ihre Aufgaben ehrenamtlich erfüllen. Damit ist sichergestellt, dass Mitgliedsbeiträge, Spenden und Legate ausschließlich und in vollem Umfang den satzungsgemäßen Zwecken zugeführt werden.

Die zielstrebige ehrenamtliche Arbeit des Vereins fand mehrfach öffentliche Beachtung: 1996 wurde er für den Hessischen Denkmalschutzpreis vorgeschlagen und 2012 konnte Ruth Viehmann mit einer kleinen Delegation in Schloss Biebrich den Ehrenamtspreis in der Denkmalpflege für den Wetzlarer Dombau-Verein entgegen nehmen. Mit der Ehrung war ein Geldpreis von 2.000 € verbunden.

Im Rückblick auf die Geschichte der drei Wetzlarer Dombau-Vereine zeigte sich, wie bürgerschaftliches Engagement sich selbst organisiert und zunächst die landesherrlichen Gnadenerweise ablöst. Später stellt der Verein seine Aktivitäten gleichberechtigt an die Seite staatlicher Hilfsmaßnahmen. Der Gedanke einer kontinuierlichen Bereitschaft zur Hilfe an Stelle punktuellen Eingreifens bei extremer Gefährdung oder Beschädigung des Bauwerks hat sich langsam entwickelt, bedarf aber ständiger Erinnerung und Belebung. Diese Aufgabe kann wirkungsvoll nur erledigt werden, wenn sie den gesell-


Verleihung des Ehrenamtspreises der Hessischen Denkmalpflege an die Vorsitzende des Wetzlarer Dombau – Verein 2012 in Schloss Biebrich

schaftlichen Wandel berücksichtigt, die Achtung vor dem bedeutendsten historischen Bauwerk in der Stadt stärkt und die tätige Hilfe bei der Unterhaltung dieses kostbaren Erbes zu einer Herzensangelegenheit für Bürgerinnen und Bürger und die zahlreichen Gäste in der mittelhessischen Stadt macht.